Was ist ASMR?
Die einen schneiden Äpfel, die anderen beißen von Macarons ab, die eigentlich viel zu schön sind, um sie zu essen; andere wiederum zeigen Schmink-Tutorials oder spielen aus dem Leben gegriffene Szenen nach – wie Friseur- oder Arztbesuche. Was wie Alltag klingt ist ebenfalls die Antwort darauf, weshalb ein Bekannter von mir sich besser mit Make-Up auskennt als ich: ASMR. Oder auch: Autonomous Sensory Meridian Response, eine Reaktion auf akustische sowie visuelle Reize, die bei vielen Personen ein angenehmes Kribbeln am Körper und Nacken auslöst, häufig auch eine entspannende, relaxende Wirkung hat und sogar beim Einschlafen helfen kann. Seit geraumer Zeit wird dieser Trend immer populärer und YouTube boomt förmlich mit derartigen Videos. Und da das Internet nicht das Internet wäre, ohne dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen, gibt es jetzt sogar ASMR-Pornos.
Nicht jedermanns Sache
Ich bin ganz ehrlich: Bei mir lösen reguläre ASMR-Videos keine angenehmen Gefühle aus. Für die Recherche dieses Artikels habe ich selbstverständlich einige Videos geschaut, und vielleicht lag es an meinen Ohren und meinem grobmotorischen Wesen, vielleicht aber auch an meinen Kopfhörern – ich habe weder viel gehört noch etwas gespürt. Das, was ich gehört habe, war Geflüster, welches mich stark an Stille Post erinnerte. Da war nichts mit einem wohligen Schauer, der mir über den Rücken jagt. Erst recht nichts mit Entspannung. Aber auch die visuellen Reize sprachen mich nicht wirklich an: Wenn sich jemand Paketband von der Haut abzieht, sieht es für mich eher fragwürdig aus als alles andere.
ASMR in Pornos
Mit dieser Einstellung ging ich auch an ASMR-Pornos heran. Da der Trend quasi noch in den Startlöchern steht, ist die Auswahl nicht allzu groß. Aber von dem, was ich gefunden, war ich tatsächlich überrascht: ASMR-Filmchen sind wesentlich ruhiger, langsamer und seduktiver als der gewohnte Rein-Raus-0815-Streifen – quasi der Blümchensex der Pornoindustrie. Anstelle von schnellem Sex und lautem Gegröle befriedigen sich hier hauptsächlich Darstellerinnen in Ruhe selbst, und das erstaunlich leise. Der Fokus scheint gar nicht unbedingt auf dem Visuellen zu sein, und für einen Porno sieht man relativ wenig nackte Haut. Viel wichtiger sind die auditiven Reize wie leichtes Stöhnen, Atmen oder das Streicheln von Körperteilen. Die allgemeine Stimmung sowie die Emotionen wirken ein wenig echter und gefühlvoller, fast sogar romantisch. ASMR scheint also nicht nur zu entspannen, sondern auch mit der Fantasie und Vorstellung des Zuschauers zu spielen – egal, ob mit oder ohne erotischen Hintergrund – und gerade das macht es wohl zu einem besonderen, außergewöhnlichen Phänomen.
Mein Fazit? Auch ASMR-Pornos lösen bei mir nicht eine Welle an explosiver Erregung aus – aber sie sind mir durchaus äußerst sympathisch. In unserer Welt von schnellem, bedingungslosem Sex sind solche Filmchen für mich vielleicht noch ein Fünkchen Authentizität. Ob man nun empfänglich dafür ist oder nicht, muss jeder für sich selbst herausfinden, aber das Angebot wächst stetig und stetig – so why not give it a try?