Empty Nest Syndrom
Wenn Kinder ausziehen und Leere bleibt
Für viele Eltern schwierig: Erwachsene Kinder ziehen aus und hinterlassen eine Lücke im Familiennest. Erfahre hier, was es mit dem Empty Nest Syndrom auf sich hat und wie Du die Leere nach dem Auszug mit neuem Leben füllen kannst.
Was ist das Empty Nest Syndrom?
Das Empty Nest Syndrom (kurz ENS) kann entstehen, wenn Kinder erwachsen werden und dem heimischen Nest flügge werden – also ausziehen. Es ist eine emotionale Reaktion der Eltern auf den Auszug – ein Gefühl von Einsamkeit, Trauer und Verlassenheit. Die Medizin beschreibt das Empty Nest Syndrom als ein „Anpassungsproblem an die Übergangsphasen im Lebenszyklus“.
ENS betrifft beide Eltern oder einzelne Elternteile, wobei Frauen häufiger darunter leiden. Das liegt schlichtweg daran, dass Mütter in vielen Familien mehr Zeit mit dem Kind und der Erziehung verbringen.
# Schon gewusst?
Das Empty Nest Syndrom (engl. empty nest syndrome), kurz auch ENS genannt, heißt wörtlich übersetzt „Leeres-Nest-Syndrom”. Der Begriff wurde in den USA der 1970er Jahre von der Pharmaindustrie geprägt.
Was ändert sich, wenn das Kind auszieht?
Verlässt das Kind das heimische Nest, ändern sich viele Routinen. Plötzlich können Mütter und Väter ihren Alltag wieder selbst bestimmen, ohne Rücksicht auf Vorlieben und Termine der Kinder nehmen zu müssen: Aber statt Freiheitsendorphinen kickt dann oft das Empty Nest Syndrom.
Das fühlt sich negativ an:
Sieh auch das Positive:
Warum ist es so wichtig, dass Kinder ausziehen?
Genau genommen ist das ganze Leben eines Kindes bis ins junge Erwachsenenalter ein Abnabelungsprozess. Beginnend bei der Geburt und dem Durchtrennen der Nabelschnur, dem Abstillen, über Lebensereignisse wie Kindergarten oder Einschulung bis zum Auszug. Und nur wenn das alles passiert, kann ein Mensch eigenständig leben und sich entwickeln.
Wie geht’s dem Kind dabei?
Der Auszug aus dem elterlichen Zuhause kann auch für Kinder belastend sein. Das äußert sich aber nicht im Empty Nest Syndrom, sondern eher in Heimweh oder Problemen beim Loslösen. Kinder haben es grundsätzlich leichter, weil sie noch in der Entwicklungsphase sind.
Empty Nest Syndrom: Symptome
Klassische Symptome des Empty Nest Syndroms sind Vermissen, Traurigkeit und (meist unbegründete) Sorgen um das Kind. Die Zeit direkt nach dem Auszug kann sich aber auch wie ein Trauerfall oder eine Trennung mit Liebeskummer anfühlen, die sich durchaus auch körperlich äußern können – zum Beispiel durch Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und wenig Antrieb.
In manchen Fällen des Empty Nest Syndroms können die Symptome zu richtigen Angstzuständen, Panikattacken, psychosomatischen Beschwerden oder Depressionen führen.
Beginn und Dauer des Empty Nest Syndroms
Du denkst, das Empty Nest Syndrom beginnt mit dem Tag des Auszugs? Nicht unbedingt! Auch während der Planung können die Symptome bereits auftreten, manchmal auch erst Tage oder Wochen danach (wenn Du kürzere Abwesenheiten des Kindes beispielsweise schon gewohnt warst).
Diese Phasen des Empty Nest Syndroms werden unterschieden:
Die Dauer der Symptome ist ganz unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. In der Regel dauert das Empty Nest Syndrom einige Wochen oder Monate an – seltener bis zu Jahren.
Welche Faktoren beeinflussen die Ausprägung des Empty Nest Syndroms?
Manche Eltern belastet das Empty Nest Syndrom besonders. Dafür können verschiedene Umstände verantwortlich sein.
Besonders intensiv kann das ENS sein, wenn …
Empty Nest Syndrom bei Alleinerziehenden
Es ist zwar nicht wissenschaftlich erwiesen, doch laut Psychologie und Soziologie kann das Empty Nest Syndrom Alleinerziehende, die oft eine starke Bindung zum Kind haben, deutlich heftiger treffen. Als Single und Alleinerziehende:r fühlst Du Dich vermutlich plötzlich ganz alleine. Es kann aber auch sein, dass Du Deine neue Freiheit genießt. Vergiss nicht: Ein Auszug kann für Dein Kind und Dich auch ein wunderbarer Neuanfang sein.
Tipps: Was hilft beim Empty Nest Syndrom?
Damit Dich das Empty Nest Syndrom nicht urplötzlich trifft, solltest Du Dich auf jeden Fall emotional auf den Auszug vorbereiten. Mach kleine Übungen, um Dich bereits vorher etwas vom Elternsein zu distanzieren und Dein Leben als eigenständiger Mensch zu leben. Es wird Dir auch leichter fallen, wenn Du Dein Kind so erziehst, dass es gut auf eigenen Beinen stehen kann – dann musst Du Dir weniger Sorgen machen.
Nimm Dir Zeit für Deine Trauer und den Veränderungsprozess
Plötzlich fehlt eine Person zuhause: Ja, das kann ganz schön traurig sein. Und ja, es kann belastend sein. Lass die Trauer über den Auszug auf jeden Fall zu und durchlaufe den Prozess in Deiner eigenen Weise und Geschwindigkeit. Tausche Dich mit Freund:innen, Familie oder anderen Betroffenen aus – denn Du bist mit dem Empty Nest Syndrom nicht alleine.
Lass die Emotionen des Empty Nest Syndroms zwar zu, aber sieh auch die Möglichkeiten und Chancen, die sich Dir oder Euch bieten. Sieh den Auszug also nicht als Verlust, sondern sei stolz auf Dich und Dein Kind! Der Herzschmerz wird vergehen und das Kind ist nicht aus der Welt.
Akzeptanz und Blick nach vorn
Nach dem Trauern wirst Du die Veränderung irgendwann akzeptieren. Du profitierst vom Auszug und kannst nun überlegen, wie Du die gewonnene Zeit sinnvoll für Dich nutzen willst. Der Blick nach vorn ist wichtig, um Veränderungen positiv wahrzunehmen.
Abstand gewinnen und trotzdem Kontakt zum Kind halten
Konzentriere Dich auf Dich und denk nicht ständig an Dein Kind. Mach Dir vor allem nicht durchgehend Sorgen. Haltet zwar Kontakt, aber in Maßen – Ihr z. B. ein wöchentliches Telefonat vereinbaren. Der Vorteil unserer modernen Welt: Über Messenger und Social Media ist das Kontakthalten viel leichter geworden.
Wichtig: Kinder sind nicht für das Wohl ihrer Eltern verantwortlich. Lass sie nicht spüren, dass Du ohne sie nicht leben kannst, denn emotionale Abhängigkeit ist nicht gesund.
Partnerschaft neu erleben
Vor allem für die Partnerschaft kann der Auszug der Kinder eine Chance bedeuten. Entdeckt Eure Beziehung neu, denn in den letzten Jahren ist viel passiert. Womöglich habt Ihr Euch als Paar ein wenig aus den Augen verloren, weil Ihr in erster Linie Eltern wart. Fragt Euch: „Was haben wir eigentlich vor den Kindern gern gemacht?” und macht da weiter.
Mach Dir klar, was DU willst
Eine Person ist in Deinem Leben besonders wichtig: Du. Lange hat es sich anders angefühlt – aber jetzt bist Du wieder der Mittelpunkt. Lerne, Zeit mit Dir selbst zu verbringen und mach Dinge, auf die Du Lust hast. Gönne Dir Me Time und genieße das Gefühl, dass niemand „Mama!” durch die Wohnung ruft.
Freundschaften und andere Beziehungen pflegen
Soziale Kontakte sind wichtig. Triff Dich mit alten Freund:innen, mach neue Bekanntschaften – ganz unabhängig von den Kindern. Nutze Stammtische, Vereine oder Apps, um neue Bekanntschaften zu schließen.
Neue Aufgaben und Aktivitäten
Jetzt ist auch die Zeit für neue Hobbys und Leidenschaften – oder das Auflebenlassen von alten. Die Möglichkeiten sind schier unendlich: Bilde Dich beruflich weiter, mach Kurse, wechsle den Job oder übernimm ein Ehrenamt. Entdecke die Welt, unternimm Reisen und genieß Deine Freiheiten.
Empty Nest Syndrom durch professionelle Hilfe überstehen
Ist das Empty Nest Syndrom bei Dir sehr stark ausgeprägt, die Tipps helfen nicht und es dauert einfach extrem lange, solltest Du Dir Hilfe suchen. Symptome wie Angstzustände, Depressionen oder Beeinträchtigungen Deines Alltags deuten darauf hin, dass psychologische Unterstützung erforderlich ist. Auch ein Coaching oder eine Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen sind eine gute Möglichkeit, Dich über das Empty Nest Syndrom auszutauschen.
Häufige Fragen und Antworten zum Empty Nest Syndrom
Wann beginnt das Empty Nest Syndrom?
Das Empty Nest Syndrom kann schon während der Planung des Auszugs auftreten oder erst, wenn das Kind mit seinem letzten Umzugskarton das Haus wirklich verlassen hat. Manchmal realisierst Du den Auszug auch erst langsam und das ENS macht sich nach Tagen oder Wochen bemerkbar.
Warum tut es so weh, wenn Kinder ausziehen?
Kinder waren viele Jahre Mittelpunkt Deines Lebens – in der Regel um die 18 Jahre. Du hast Deinen Alltag nach dem Nachwuchs ausgerichtet und er war eine ganze Weile von Dir abhängig. Der plötzliche Verlust des Kindes schmerzt und Dein Leben verändert sich. Diese Veränderung braucht Zeit, aber der Trennungsschmerz wird vergehen.
Wie gehst Du mit dem Empty Nest Syndrom um?
Du solltest Dich emotional auf den Auszug vorbereiten, denn dann trifft Dich der Stichtag nicht so stark. Es ist aber völlig in Ordnung, wenn Du die erste Zeit traurig bist und nicht so ganz damit klarkommst. Dann ist es wichtig, Dich auf Dich zu konzentrieren, Me Time einzubauen und Dein Leben neu zu gestalten – mit Partner:in oder auch alleine.
Was bedeutet das Empty Nest Syndrom für Dein Kind?
Für Kinder ist es manchmal auch schwierig, auszuziehen. In der Regel freuen sie sich aber auf die Weiterentwicklung. Gib ihnen nicht das Gefühl, auf Dich aufpassen zu müssen, denn sie müssen ihren Weg nun mal gehen.
Fazit: Das Empty Nest Syndrom ist nur eine Übergangsphase
Du weißt jetzt, dass die Gefühle von Trauer und Einsamkeit völlig normal sind und jedes Empty Nest Syndrom ein Ende hat. Mit unseren praktischen Tipps findest Du ganz schnell raus aus der Krise und rein in Dein eigenständiges Leben, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Wie lange dieser Übergang dauert, ist natürlich bei jeder Familie ganz individuell – sicher ist aber, dass das ENS kein Dauerzustand ist.