Sadismus: der sexuelle Lustgewinn durch das Zufügen von Schmerzen
Bei dem Begriff „Sadismus“ denken vermutlich die meisten an BDSM oder 50 Shades of Grey. Im Alltag ist das auch durchaus korrekt – während aber Sadismus im wissenschaftlichen Sinne etwas viel Extremeres beschreibt!
Sadismus mit Freiwilligkeit und Einverständnis
Sadismus beschreibt alltagssprachlich die sexuelle Erregung durch das Zufügen von Schmerz, während man jemanden dominiert. In der Regel geschieht dies einverständlich mit einer unterwürfigen Person, die es erregend findet, Schmerzen zugefügt zu bekommen. Konsens ist hier das A und O. Entgegen der Behauptung eher Menschen in höheren beruflichen Positionen seien unterwürfig, gibt es wissenschaftlich kaum Anhaltspunkte dafür, dass Sadismus oder Masochismus mit der beruflichen Stellung im Zusammenhang stehen. Richtig ist allerdings, dass Menschen, die nichts mit der BDSM-Szene zu tun haben, oft verständnislos reagieren. Und im Kern liegt dieser Verständnislosigkeit immer der beteiligte heterosexuelle Mann zu Grunde: Einem sadistischen heterosexuellen Mann wird mit Kopfschütteln begegnet, weil er Frauen Schmerzen zufügt und einem masochistischen heterosexuellen Mann wird mit Verständnislosigkeit begegnet, weil er eine sadistische Frau erregend findet und durch seine Unterwürfigkeit „unmännlich“ sei. Hier wird aber gekonnt ignoriert, dass alle Beteiligten freiwillig mitmachen und die zugefügten oder erlebten Schmerzen als erregend empfinden.
Bei gleichgeschlechtlichem Sex, vor allem in der Pornografie, scheinen weniger Menschen ein Problem mit Dominanz und Sadismus zu haben. Daher nehmen manche heterosexuellen Männer eher die Leistungen einer Domina in Anspruch, da diese ihren Kunden nicht nur vorurteilsfrei begegnen, sondern auch geübt sind im Sadismus und wissen, wann man aufpassen muss bzw. wie man einerseits Grenzen einhält aber gleichzeitig auch Grenzen austesten kann. Frauen werden oftmals mit Masochismus und als unterwürfig assoziiert – seid Euch aber sicher: Männer und Frauen können sadistisch oder masochistisch oder beides sein.
Sadismus als Diagnose
Sexualwissenschaftlich und psychotherapeutisch entfällt das freiwillige Einverständnis, wenn vom sexuellen Sadismus gesprochen wird. Der Sadist in diesem Kontext empfindet nur sexuelle Erregung, wenn die andere Person Schmerzen nicht zugefügt haben will, wenn sie weint, wimmert, Angst hat. Quasi: sexuelle Erregung durch Folter. Wenn eine masochistische Person Schmerzen zugefügt bekommen möchte, verliert der wissenschaftliche sexuelle Sadist die Lust. Diese Unterscheidung ist hochgradig wichtig, um Menschen mit BDSM-Vorlieben nicht als krankhaft darzustellen! Jedoch wäre es natürlich einfacher und besser gewesen, wenn wir zwei unterschiedliche Begriffe hätten.
Ihr könnt Euch sicher sein: Wenn ich die Diagnose „Sadismus“ vergebe, dann pathologisiere ich nicht 99% der Menschen in der BDSM-Szene. Mir ist aber auch klar, dass diese Diagnose – und dieser Blogbeitrag – leider zur Stigmatisierung beitragen können, wenn mir Menschen nicht zuhören oder nur einen Satz völlig aus dem Zusammenhang reißen. Ich wünschte, es wäre anders und wir hätten einen anderen Namen für die Diagnose.