Narratophilie: Wenn Erotik auch auf verbaler Ebene stattfindet
In der Welt der Sexualität wird man mit jeder Menge Vorlieben konfrontiert, einige davon sind für viele überhaupt nicht nachvollziehbar. Im Grunde gibt es nichts, wofür man keine erotische Leidenschaft entwickeln könnte. Dabei müssen es nicht unbedingt Objekte oder Materialien wie Lack und Leder sein, auf manch einen können auch Worte einen sehr erregenden Effekt haben.
Du hast sicher auch schon die ein oder andere erotische Geschichte gelesen und dabei festgestellt, wie diese sexuelle Lust in Dir entfachen kann. Wie heiß und anregend Worte sein können, zeigt sich auch beim so genannten Dirty Talk. Viele Paare werden so richtig scharf, wenn sie sich beim Sex gegenseitig schmutzige Ausdrücke ins Ohr haucht.
Narratophilie ist ein Begriff, den die meisten wahrscheinlich noch nie gehört haben, obwohl sie dieser Vorliebe sogar nachgehen. Natürlich ist den wenigsten bewusst, dass Dirty Talk genau in diesen Bereich gehört. Narratophilie gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Die Narratophilie ist sehr breit gefächert und lässt sich deshalb nicht so leicht erklären.
Was ist Narratophilie?
Die Bezeichnung Narratophilie leitet sich vom lateinischen Wort „narrare“ ab, was so viel wie „reden“ bedeutet. Grundsätzlich ist damit nur gemeint, dass man Gefallen an erotischen Geschichten und Gesprächen findet. Normalerweise trifft dies ja auf die meisten Menschen zu, so dass dieser Fetisch eigentlich nicht ungewöhnlich ist. Ursprünglich soll der Ausdruck wohl aus der Psychiatrie stammen, was jedoch nicht belegt ist. Bei der Narratophilie geht es darum, dass jemand sexuell gesehen auf das Vorlesen von erotischen Inhalten fixiert ist und auch gerne über Sex spricht.
Eine einfache Variante der Narratophilie ist der Dirty Talk, den viele Paare in ihren Liebesakt integrieren, um die Lust zu steigern. Bei manchen Narratophilen ist diese Neigung so stark ausgeprägt, dass Erregung nur durch eine derartige Kommunikation erzeugt wird.
Es gibt auch eine extreme Ausprägung, die für Mitmenschen eine Belästigung darstellen kann. Der Betroffene ruft dann einfach unbekannte Leute an, um ihnen vulgäre Ausdrücke an den Kopf zu schmettern. Indem diese sich dann aufregen und den Anrufer beschimpfen, kann dieser aufgrund der erwünschten Reaktion sogar einen Orgasmus erleben.
# Interessant
Der Begriff der Narratophilie ist nicht wissenschaftlich fundiert, und viele Experten bezweifeln, dass es dieses Phänomen überhaupt gibt.
Narratophilie ist im BDSM ausdrücklich erwünscht
Im Bereich des BDSM geht es ja grundsätzlich immer um ein bestimmtes Machtgefüge. Das Rollenspiel zwischen Dominanz und Unterwerfung lässt sich mit Hilfe von Dirty Talk unheimlich anheizen. Gerade der dominante Part, kann seiner Überlegenheit mit den richtigen Worten und Sätzen noch mehr Ausdruck verleihen. Es gibt tatsächlich viele Anhänger des BDSM, die eine nonverbale Kommunikation bevorzugen. Deshalb hat Narratophilie nicht automatisch eine Daseinsberechtigung beim BDSM.
Andererseits können einige auch nur so richtig in eine Session eintauchen, wenn diese durch entsprechende Phrasen angefeuert wird. So kann der Dom beispielsweise eindeutige Befehle erteilen, denen sich der Sub gehorsam zu fügen hat. Je nach Formulierung können diese eher subtil oder richtig fordernd rüberkommen. Dann gibt es wiederum Sätze, die ein Gefühl von Besitz erzeugen oder das Gegenüber erotisch degradieren.
Nicht selten wird der Sklave auch mit Worten dazu gebracht, sich selbst zu erniedrigen. Die Narratophilie kann beim BDSM aber auch dazu genutzt werden, um die devote Person zu loben, wenn Kommandos zur vollen Zufriedenheit ausgeführt oder Bestrafungen ohne zu murren ertragen wurden.
Heißer Dirty Talk will gelernt sein
Schmutziges Bettgeflüster kann die Lust auf mehr so richtig anfeuern, wenn denn die richtigen Worte gewählt werden. Und das ist genau der Haken, denn viele Menschen sind oftmals verunsichert. In Pornos machen es uns die Darsteller vor, ihre obszöne Kommunikation kann schon beim Zuhören sehr erregend sein.
Bei dieser Form der Narratophilie geht es nicht darum, Standard-Floskeln wie auswendig gelernt aufzusagen. Das wirkt dann alles andere als erotisch und kann sogar ein echter Abtörner sein. Du solltest viel eher Deine:n Partner:in an Deinen sexuellen Gedankengängen teilhaben lassen. Du musst auch nicht gleich voll durchstarten, besser ist es, wenn Du Dich langsam steigerst.
Vergiss die typischen Sätze aus den Pornos, Dirty Talk muss vor allem natürlich rüberkommen. Es macht überhaupt nichts, wenn Du eher schüchtern und zurückhaltend bist, denn Dirty Talk kannst Du tatsächlich lernen. Bist Du bereits länger mit Deinem:Deiner Partner:in zusammen, dann kann es komisch anmuten, wenn Du plötzlich beim Sex sprichst. Deshalb solltest Du mit wenigen Worten starten, die Deine Lust und Erregung verbal zum Ausdruck bringen wie beispielsweise „Oh Gott“ oder ein lang gezogenes „Jaaa“.
Narratophilie hat viele Gesichter und Erscheinungsformen – warum es also nicht mal ausprobieren und dem:der Partner:in eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen, bei der er:sie so gar nicht einschläft…