Inzucht
Warum das besser nicht in der Familie bleibt
Erlaubt ist, was gefällt, heißt es so schön. Wenn es um Sex geht, findet dieses Sprichwort häufig seine Anwendung. Unser heutiges Thema zeigt: Das stimmt so nicht immer, denn bei Inzucht versteht das Strafgesetzbuch keinen Spaß. Okay stopp, Inzucht? Was ist das eigentlich? Und warum ist das verboten? Keine Panik, wir frischen Eure Biologiekenntnisse auf und erklären Euch alles, was Ihr zum Thema Inzucht wissen solltet.
Allgemeine Infos zur Inzucht
Unter Inzucht versteht man die Fortpflanzung zweier Blutsverwandter. Da bei familiärem Geschlechtsverkehr eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Weitergabe von Erbkrankheiten besteht, ist es in Deutschland nicht erlaubt, Sex mit einem Geschwisterkind, den Eltern oder den Großeltern zu haben.
Paragraph 173 StGB sieht für Inzucht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor.
# Schon gewusst?
Inzucht ist nicht gleich Inzest. Inzest definiert den Geschlechtsverkehr zwischen Verwandten, während Inzucht sich auf das Zeugen von Nachkommen bezieht. Erlaubt ist in Deutschland beides nicht.
Warum fördert Inzucht Erbkrankheiten?
Bei der genetischen Vererbung unterscheidet man zwischen dominanten (starken) und rezessiven (schwachen) Merkmalen. In der Regel wird uns das dominante Merkmal vererbt. Wenn Dein Vater braune Augen hat und Deine Mutter blaue, stehen die Chancen sehr gut, dass Du auch braune Augen hast. Braun = Dominantes Merkmal; Blau = Rezessives Merkmal.
Über die Hälfte aller Erbkrankheiten werden rezessiv, also schwach, vererbt. Wenn also bei einem Elternteil die genetische Veranlagung für Krankheiten vorhanden ist, wird diese (meistens) durch das dominante, gesunde Gen des anderen Elternteils unterdrückt und nicht an den Nachwuchs vererbt.
Das bedeutet, dass auch gesunde Menschen eine Anlage für Erbkrankheiten in sich tragen können, ohne es zu wissen, weil das dominante (gesunde) Gen sich durchgesetzt hat. Das funktioniert so lange, bis zwei Elternteile aufeinandertreffen, die dasselbe rezessive Gen für eine Krankheit in sich tragen. Da Geschwister ziemlich ähnliche Gene haben, ist diese Wahrscheinlichkeit hier relativ hoch.
Bei zwei Personen, die nicht miteinander verwandt sind, liegt das Risiko einer Erbkrankheit gerade einmal bei 3%. Bei Kindern von Blutsverwandten ersten Grades liegt das Risiko, mit einem Gendefekt geboren zu werden, bei 25%.
Inzucht im Adel
Es war einmal die Habsburger Lippe. Ein Symbol der europäischen Vormacht, aber vor allem ein Symbol für europäische Inzucht. Doch lasst uns vorne starten:
Das Habsburger Adelsgeschlecht regierte jahrhundertelang Europa. Wie ihnen das gelang? Ganz einfach, die Herrschaft blieb in der Familie. Innerhalb der Verwandtschaft wurde fleißig geheiratet und der Machterhalt strategisch gesichert. Doch die Familienmitglieder teilten nicht nur ihre Liebe zur Macht, sondern auch auffällige Fehlbildungen im Gesicht. Dass da (viel, wirklich viel) Inzucht im Spiel war, zeigte sich innerhalb der Familie durch:
Diese Fehlbildungen und Veranlagungen zu Krankheiten sind nicht unbedingt die Gemeinsamkeiten, die man in der Familie haben möchte – aber unter anderem diejenigen, die durch Inzucht begünstigt werden.
Wer hätte es gedacht: Je näher die Eltern verwandt waren, umso stärker die Fehlvererbung. Obwohl die Herrschaft über viele Jahrhunderte gesichert wurde, trieb die Familie es ein bisschen zu bunt, den Inzuchtkoeffizienten zu hoch und stürzte sich damit letztlich selbst. Dieses Märchen hat leider kein Happy End – tatsächlich starben viele Nachkommen des Adelsgeschlechts bereits vor dem zehnten Lebensjahr. Die spanische Linie der Habsburger endete mit dem Tod von Karl II., seines Zeichens unfruchtbar und eher schwächlich auf den Beinen. Bei ihm war die Ausprägung des Unterkiefers übrigens besonders stark, alle seine zahlreichen Leiden waren Folgen der Inzucht.
Die Habsburger sind nur ein Beispiel für Inzucht in Adelshäusern. In Europa war das früher gang und gäbe, um sicherzugehen, dass die Macht in der eigenen Familie bleibt.
# Übrigens
Ganz ausgestorben ist das Phänomen im europäischen Adel allerdings immer noch nicht. Werft mal einen Blick auf den Stammbaum der britischen Royals. Sogar Queen Elizabeth und Prinz Philipp waren Cousin und Cousine 3. Grades. Auch Prinz William und Herzogin Kate haben einen gemeinsamen Großvater 12. Grades.
Inzucht in der Gegenwart
Zumindest Inzest ist nicht überall verboten, in folgenden Ländern ist Liebe unter Geschwistern beispielsweise erlaubt:
Allerdings bedeutet straffrei nicht gesellschaftlich akzeptiert und auch in diesen Ländern ist es unüblich, dass enge Familienmitglieder Beziehungen eingehen. Erlaubt ist übrigens nur, wenn sich zwei Erwachsene für ein gemeinsames Schäferstündchen entscheiden. Ein erwachsener Bruder, der mit seiner minderjährigen Schwester schläft, wird auch hier bestraft.
In Deutschland ist alles aus der Blutsverwandtschaft tabu, egal ob minderjährig oder erwachsen. Anders sieht das bei Familienmitgliedern nicht-gerader Linie aus: Cousins, Cousinen, Tanten und Onkel. Hier gibt es zwar kein Gesetz, das den Geschlechtsverkehr verbietet, trotzdem steht das Thema auch gesellschaftlich in der Kritik. Nicht ganz zu Unrecht, denn Onkel und Nichte vererben zu 13% unerwünschte Gene an ihre Kinder, während die Wahrscheinlichkeit bei nicht-blutsverwandten Partnern gerade einmal 3% beträgt.
In einigen Kulturen ist es üblich, dass Cousin und Cousine den heiligen Bund der Ehe eingehen. Ab dem 2. Grad spricht, aus genetischer Sicht, auch nicht viel dagegen, denn ein Erbkrankheitsrisiko liegt „nur noch“ bei ca. 4% und ist damit kaum höher als bei nicht blutsverwandten Eltern. Es gibt immer noch Stämme und Gemeinschaften, in denen Cousins und Cousine 1. Grades zusammenkommen, da diese so isoliert leben, dass sie keine anderen Optionen haben. Allerdings kommen deren Kinder leider auch häufiger mit Erbkrankheiten zur Welt.
Am Ende bleibt uns nur eins zu sagen: Auf der Welt gibt es fast 7,9 Milliarden Menschen. Ganz schön viele, oder? Und das Beste: Mit den meisten seid Ihr garantiert nicht verwandt! Hier findet jeder seinen passenden Deckel, also tut Eurem Nachwuchs einen Gefallen und erweitert Euren Genpool.