Bevor wir uns genauer anschauen, was es mit zu großen Schamlippen auf sich hat, machen wir zunächst noch einen kurzen Anatomie-Exkurs. Denn die richtigen Wörter für den eigenen Intimbereich zu kennen und zu wissen, wofür das alles eigentlich da ist, kann helfen, Scham abzubauen und den eigenen Körper besser kennenzulernen. 

Also: Die Schamlippen sind auch als Labien bekannt und gehörten zu den äußeren Geschlechtsorganen der Frau. Alles, was Du von außen sehen kannst, heißt übrigens Vulva. Vagina nennt man den Kanal, der ins Körperinnere führt. Es gibt die äußeren Schamlippen (Labia majora) und inneren Schamlippen (Labia minora). 

Die äußeren Schamlippen bestehen aus Haut und Fettgewebe. Auf ihnen wächst nach er Pubertät Intimbehaarung. Die äußeren Schamlippen haben eine wichtige Aufgabe: Sie dienen als Schutz für die empfindlicheren inneren Schamlippen sowie für den Vaginaleingang. 

Die inneren Schamlippen liegen zwischen den äußeren Schamlippen und sind oft unterschiedlich groß oder asymmetrisch. Auch lange innere Schamlippen sind dabei übrigens vollkommen normal. Bei vielen Frauen schauen die inneren Schamlippen aus den äußeren hervor. 

Die inneren Schamlippen enthalten viele Nervenenden und Blutgefäße, wodurch sie sehr empfindlich für Berührungen sind. Sie unterstützen nicht nur den Schutz der Vagina, sondern sind auch ein wichtiger Teil des sexuellen Lustempfindens. Außerdem helfen sie dabei, die Feuchtigkeit (Lubrikation) der Vulva zu regulieren und schützen vor Keimen. Egal wie groß oder in welcher Form – Schamlippen sind echte Multitasker, auf die unser Intimbereich nicht verzichten kann.

Auch interessant: Wenn die Klitoris zu groß ist (Klitorishypertrophie).

Und nun zur eigentlichen Frage: Gibt es zu große Schamlippen? Das kommt ganz darauf an, wie Du „zu groß“ definierst. Können die inneren Schamlippen größer sein als die äußeren? Auf jeden Fall? Ist das was schlechtes? Nein! Das zu große Schamlippen zu gesundheitlichen Problemen führen ist wirklich ganz, ganz selten. 

Bei sehr langen inneren Schamlippen kann es in selten Fällen zu unangenehmer Reibung kommen – beispielsweise beim Radfahren oder zu engen Unterhosen. Auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr wegen zu großen Schamlippen sind selten – wenn es beim Sex allerdings weh tut, solltet Ihr abbrechen was Ihr gerade tut und körperliche Ursachen bei einem Arzt oder einer Ärztin abklären lassen. 

Sind zu große Schamlippen der Grund für gesundheitliche Probleme, spricht die Medizin von Labialer Hypertrophie. Doch keine Sorge: Die meisten Frauen mit großen Schamlippen haben überhaupt keine Probleme.

Denn meistens sorgen nicht die Labien für Unwohlsein, sondern unrealistische Schönheitsideale, die in Pornos oder Medien vermittelt werden. Der Vergleich mit diesen realitätsfremden Bildern kann dazu führen, dass große Schamlippen als „unnormal“ empfunden werden und sich Frauen deshalb für den eigenen Intimbereich schämen. Pornos zeigen nämlich oft nur Vulven mit „Clean Slit“, dabei handelt es sich um äußere Vulvalippen, welche die inneren komplett verdecken. Doch in Wahrheit ist eine Vulva so individuell wie ein Fingerabdruck. Es gibt sie in endlosen Formen, Farben und Asymmetrien. 

Große innere Schamlippen

Wer von zu großen Schamlippen spricht, bezieht sich oft auf die inneren Lippen. Denn wenn diese frech aus den äußeren Vulvalippen hervorlugen, fragen sich gerade junge Mädchen oft: „Ist das normal?“. Und wir können die Unsicherheit verstehen. Schließlich ist es vor der Pubertät meist so, dass die äußeren Schamlippen die inneren komplett umschließen.

Aber während der Pubertät verändert sich der Körper. Und bei vielen bedeutet das eben auch, dass die inneren Schamlippen wachsen – bis über die äußeren Lippen hinaus. Um mit dem Stigma aufzuräumen, dass mit langen inneren Schamlippen etwas nicht stimmen würde, hat sich sogar die Wissenschaft eingeschaltet. Das Ergebnis: Bei circa 60 % der Frauen sind die inneren Schamlippen länger als die äußeren. Also bei über der Hälfte! 

Übrigens: Um mit dem negativ behafteten Klischee von „zu großen“ inneren Schamlippen zu brechen, hat sich ein neuer, neutraler Begriff durchgesetzt: Outie. Eine Outie Vulva ist also eine Vulva, bei der die inneren Schamlippen aus den äußeren herausschauen.

Große äußere Schamlippen

Große äußere Schamlippen sind seltener Anlass für Unsicherheiten, denn sie entsprechen eher dem Bild, das uns erotische Filmchen vermitteln. Lediglich wenn die äußeren Schamlippen ungewöhnlich anschwellen kommt die Frage auf: „Ist das noch normal?“. 

Wenn Du Veränderungen in Deinem Intimbereich feststellst, ist es immer gut, krankheitsbedingte Ursachen beim Gynäkologen oder bei der Gynökologin ausschließen zu lassen. Aber: Auch die gesteigerte Durchblutung bei Erregung kann Auslöser für eine Größenveränderung der Labien sein. Allerdings sollten sie nach dem Sex wieder auf ihre Ausgangsgröße zurückkehren.

Wie jedes gute Gegensatz-Paar braucht es natürlich auch hier noch einen passenden Gegenbegriff zur Outie. Wie präsentieren: Innie. Eine Innie Vulva bedeutet also, dass die äußeren Schamlippen größer sind als die inneren und diese komplett verdecken. Bei der Frage Innie oder Outie geht es also darum, zu normalisieren, über die verschiedenen Vulvaformen zu sprechen.

Große Schamlippen und Sex: Eine wunderbare Kombination! Denn große Schamlippen wirken sich in keiner Weise auf Dein Sexleben aus – es sei denn die Scham über Deinen Intimbereich führt dazu, dass Du Dich beim Sex nicht fallen lassen kannst. Wenn das der Fall ist, verraten wir Dir weiter unten, wie Du Dich mit Deinen großen Schamlippen anfreunden kannst. 

Aber zurück zum Sex mit großen Schamlippen: Vulvalippen schwellen bei Erregung an, weshalb sie beim Sex sogar noch größer werden können. Aber kein Grund zur Sorge: Ähnlich wie bei einem steifen Penis, nimmt auch in der Vulva die Durchblutung bei Erregung zu. Das zusätzliche Blut kann zur Größenveränderung der Schamlippen führen. Das ist absolut unbedenklich und geht auch wieder weg, sobald die Erregung abnimmt. 

Sehr große Schamlippen können möglicherweise Deine Klitoris verdecken. Aber auch das ist kein Problem. Mit vorsichtigen Bewegungen können die Schamlippen sanft auseinander gezogen werden, bis die Klitoris fürs lecken oder fingern frei liegt. 

Und auch bei der Penetration beim Vaginalverkehr stören große Schamlippen in der Regel nicht. Vielmehr berichten viele Frauen, dass sie dank großer Schamlippen sogar noch mehr spüren. Sollte eine Sexstellung doch mal dazu führen, dass Deine Schamlippen eingezwickt werden, könnt Ihr einfach die Stellung wechseln und schauen, ob es sich so besser anfühlt. Gerade bei Sexstellungen von hinten gibt es oft gar kein Problem mit langen Schamlippen, da der Penis von hinten in die Vagina eindringt.

Ja, eine Schamlippenverkleinerung ist möglich – und immer wieder denken Frauen darüber nach, weil sie sich mit ihrem Intimbereich unwohl fühlen. Labioplastik heißt der Eingriff, bei dem die Schamlippen bei einer Schönheits-OP verändert werden. Oft gibt es für die Schamlippenkorrektur allerdings keine medizinische Notwendigkeit, sondern die Unsicherheiten entstehen durch gesellschaftliche Schönheitsideale oder Vergleiche mit vermeintlich „perfekten“ Bildern aus der Medienwelt. 

Die meisten wünschen sich bei einer Schamlippenverkleinerung übrigens, lange innere Schamlippen zu kürzen, sodass aus einer Outie eine Innie wird. Dabei läuft die OP zum Verkleinern der Schamlippen so ab, dass unter lokaler Betäubung oder in Vollnarkose Gewebe der inneren Schamlippen entfernt und die Form angepasst wird. Klingt simpel, birgt aber Risiken wie Schmerzen, Narbenbildung, Infektionen oder eine reduzierte Empfindsamkeit. Ist „Schönheit“ wirklich den Verlust von Lustempfinden wert?

Wenn die Größe der Schamlippen keine gesundheitlichen Beschwerden verursacht, ist es vielleicht eine Überlegung wert, sich mit den eigenen Unsicherheiten auf einer anderen Ebene auseinanderzusetzen – zum Beispiel in einer Sexualtherapie. Dort kannst Du lernen, Deinen Körper so zu akzeptieren und zu lieben, wie er ist. Denn Deine Schamlippen sind ein natürlicher Teil von Dir – und haben genauso ihre Daseins-Berechtigung wie alle anderen Körperteile auch!