Vaginismus
Hilfe beim schmerzhaften Scheidenkrampf
Du hast eigentlich Bock, doch Dein Körper blockiert: Wenn sich die Muskeln der Vagina unkontrolliert verkrampfen, kann Intimität zur echten Herausforderung werden – und das beeinflusst nicht nur das Liebesleben, sondern auch das Selbstwertgefühl. Doch keine Sorge: Mit ganz viel Geduld, Entspannungstechniken und ärztlicher Unterstützung kannst Du Deinen Weg in eine er- und ausgefüllte Sexualität (zurück-)finden.
Was ist Vaginismus?
Vaginismus wird auch Scheidenkrampf genannt, und das trifft es ziemlich gut: Bei Frauen, die unter Vaginismus leiden, verkrampfen sich die Muskeln im vorderen Bereich der Vagina reflexartig. Und das ausgerechnet dann, wenn man es absolut nicht gebrauchen kann – nämlich beim Sex, beim Einführen eines Tampons oder bei einer gynäkologischen Untersuchung.
Die Folge: nichts geht mehr rein oder raus – eine schmerzhafte Angelegenheit! Steuern können Betroffene diese Reaktion ihres Körpers nicht, daher ist es auch ganz unterschiedlich, wie lange ein Scheidenkrampf dauert: Es entsteht ein hoher Leidensdruck, der Selbstzweifel und Ängste mit sich bringen kann.
Wie viele Frauen leiden unter Vaginismus?
Dass der eigene Körper nicht in der Lage ist, Sex zu haben, ist kein Thema, mit dem frau hausieren geht. Denn Vaginismus ist wie viele Themen, die die Sexualität betreffen, sehr schambehaftet. Wie viele Frauen von Vaginismus betroffen sind, weiß daher niemand so genau. Expert:innen gehen davon aus, dass zwischen 4 % und 42 % der Frauen betroffen sein könnten.
Viele denken, sie müssten das Problem still und heimlich selbst lösen. Das führt oft zu einer langen Suche nach Antworten und bringt eine Menge Unsicherheiten und Frust mit sich. Genau deshalb ist es so wichtig, das Thema offen anzugehen, damit niemand das Gefühl haben muss, allein damit dazustehen.
Formen von Vaginismus
Die ersten Anzeichen von Vaginismus können sich bei Betroffenen in verschiedenen Phasen des Lebens zeigen, bei manchen schon ganz früh, bei anderen erst im Laufe der Zeit.
Diese zwei Formen werden unterschieden:
Primärer Vaginismus
Die Beschwerden machen sich schon in der Pubertät zum ersten Mal bemerkbar.
Sekundärer Vaginismus
Die ersten Anzeichen treten nach einer Geburt oder einer Operation auf.
Wie stark verkrampft sich mein Beckenboden?
Vaginismus ist eine individuelle Störung und bei jeder Frau unterschiedlich stark ausgeprägt. Mithilfe der sogenannten Lamont-Skala können ärztliche Fachkräfte einschätzen, wie intensiv Deine Muskulatur reagiert, wenn eine Untersuchung oder Penetration bevorstehen:
Grad 1: Mit ein bisschen Ermutigung entspannt sich die Muskulatur.
Grad 2: Trotz Bemühen bleibt der Beckenboden angespannt.
Grad 3: Das Becken hebt sich leicht, die Patientin zieht sich zurück.
Grad 4: Rückzug total – Becken und Oberschenkel machen komplett dicht.
Grad 5: Starke körperliche Reaktionen wie Zittern oder Übelkeit machen jede weitere Untersuchung unmöglich.
Ursachen für Scheidenkrampf
Warum Dein Körper auf Penetration wie auf einen unerwünschten Eindringling reagiert und in Verteidigungshaltung geht, ist nicht immer leicht zu erklären. Körperliche und psychische Ursachen für die Schmerzen, die beim Eindringen in die Scheide entstehen, gehen bei vielen Betroffenen Hand in Hand.
Körperliche Ursachen für Vaginismus
Mögliche körperliche Ursachen für Vaginismus sind:
Psychische Ursachen für Vaginismus
Wenn der Scheideneingang streikt, liegt das nicht zwingend an körperlichen Veränderungen. Auch die Seele spielt eine wichtige Rolle dabei, ob Du beim Sex loslassen kannst. Wenn Dein Körper darauf trainiert wurde, Eindringen mit Schmerz oder Gefahr zu verknüpfen, hinterlässt das Spuren in Deiner Psyche.
Zu den psychischen Ursachen für Scheidenkrampf zählen:
Symptome von Vaginismus
Vaginismus bringt eine ganze Palette an Symptomen mit sich, die Dich körperlich und seelisch ganz schön mitnehmen können. Die Muskelreaktion ist dabei nur der Anfang und kann Dich auf eine regelrechte emotionale Achterbahnfahrt führen.
Hauptsymptom
Das Hauptproblem bei Vaginismus: Der ungebetene Muskelkrampf, der wie auf Knopfdruck einsetzt, sobald irgendwas in die Nähe der Scheide kommt. Ob Tampon, medizinisches Instrument oder beim Sex – es heißt: „Hier kommst Du nicht rein!“ Dieser Reflex ist meist so schmerzhaft, dass man von weiteren Versuchen erst mal die Finger lässt.
Sekundäre Symptome
Der krampfartige Verschluss des Scheideneingangs geht mir einer Reihe körperlicher und psychischer Begleiterscheinungen einher:
Wie wird die Diagnose Vaginismus gestellt?
Die Diagnose einer sogenannten genito-pelvinen Schmerz-Penetrationsstörung (oder kurz: Vaginismus) ist eine Sache, die Fingerspitzengefühl und Geduld erfordert – von Dir und Deiner Ärztin oder Deinem Arzt. Damit Du weißt, was bei der Untersuchung auf Dich zukommt, hier eine Sneak Peek.
Vorgespräch
Bei Störungen, bei denen sowohl der Körper als auch die Psyche beteiligt sind, reicht eine körperliche Untersuchung nicht aus. In einem Vorgespräch versucht Dein Arzt oder Deine Ärztin daher möglichen psychischen Belastungen auf den Grund zu gehen. Bei Fragen zu Deinem Sexualleben und Deiner Partnerschaft kann die Hemmschwelle ganz schön hoch sein. Aber oft führt so ein ehrliches Gespräch zu einem besseren Verständnis und manchmal sogar zu einem Aha-Moment.
Schritt für Schritt durch die Untersuchung
Vorgespräch: Los geht’s mit einem Gespräch, um etwaige psychische Gründe für Deine Symptome zu klären.
Blick auf den Scheidenbereich: Danach wird der Scheidenbereich genauer unter die Lupe genommen, um mögliche Auslöser wie Entzündungen oder andere Auffälligkeiten auszuschließen.
Schmerztest mit Wattestäbchen: Um den genauen Punkt des Schmerzes zu finden, kann die Ärztin oder der Arzt mithilfe eines Wattestäbchens vorsichtig verschiedene Stellen rund um die Scheide abtasten.
Beckenbodenmuskel-Test: Dein:e Mediziner:in testet vorsichtig mit einem oder zwei Fingern, wie sich die Muskeln verhalten. Ziel ist, zu sehen, ob sich die Muskeln bei Berührung anspannen.
Tastuntersuchung von Gebärmutter und Eierstöcken: Gleichzeitig drückt die Ärztin oder der Arzt mit der anderen Hand auf den Unterbauch, um Gebärmutter und Eierstöcke zu checken und Auffälligkeiten auszuschließen.
Drucktest von Harnröhre und Blase: Bei Bedarf wird auch überprüft, ob Harnröhre oder Blase empfindlich reagieren.
Rektale Untersuchung: In manchen Fällen kann zusätzlich eine rektale Untersuchung notwendig sein, um weitere mögliche Ursachen auszuschließen.
Ist es Vaginismus? Die Kriterien
Damit die Diagnose Vaginismus in Betracht gezogen wird, müssen bestimmte Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen – und es darf keine andere Ursache wie eine Krankheit als Erklärung infrage kommen. Zu diesen Kriterien gehören:
# Tipps zur Vorbereitung
Wenn Du unter Vaginismus leidest, wirst Du wahrscheinlich schon beim bloßen Gedanken an die Untersuchung nervös. Ein bisschen Vorbereitung kann Dir dabei helfen, gut durch den Besuch in der gynäkologischen Praxis zu kommen: Sprich dazu vorab mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt über den Ablauf und Deine Bedenken. Mit ein paar Tricks behältst Du die Kontrolle: Halte während der Untersuchung etwa einen Spiegel, damit Du sehen kannst, was passiert, oder lege Deine Hand auf die des Untersuchenden, um das Tempo selbst mitzubestimmen.
Was tun bei Vaginismus? Behandlungsmöglichkeiten für Scheidenkrampf
Sexual- und Psychotherapie
Wenn’s darum geht, Vaginismus anzugehen, sind Kopf und Körper gleichermaßen gefragt. Sexual- und Psychotherapie bieten einen Raum, um Ängste und Sorgen rund um Schmerzen und Penetration in Angriff zu nehmen. Ein Mix aus Gesprächen und praktischen Übungen kann Dir helfen, diese Barrieren zu überwinden und die eigene Sexualität wieder freier zu erleben:
Scheidenkrampf selber lösen: Selbstbehandlung mit Vaginaldilatoren
Bei einem sogenannten Gewöhnungstraining kannst Du Deiner Vagina in Deinem eigenen Tempo beibringen, dass Penetration keine Bedrohung darstellt. Vaginaldilatatoren bestehen aus einem Set unterschiedlich großer Stäbe, die Du zu Hause nach und nach einführst. Schritt für Schritt soll es dadurch gelingen, die Vaginalmuskulatur zu entspannen. Dilatoren-Training ist ein Weg, um Dich selbst besser kennenzulernen. Da Vaginismus aber meist auch auf psychischer Ebene verankert ist, muss das Gewöhnungstraining sanft und ohne Druck ablaufen.
Beckenbodentraining – mehr Kontrolle, weniger Schmerzen
Beckenbodentraining ist mehr als simples An- und Entspannen. Gezielt eingesetzt, kann es Schmerzen reduzieren und Verspannungen lösen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Methoden:
Entspannungstechniken und Atemübungen
Entspannung ist key, um Vaginismus zu lindern – und zwar nicht nur für den Beckenboden, sondern für den ganzen Körper. Eine super effektive Methode dafür: die Atementspannung. Nimm Dir täglich fünf Minuten, setz Dich entspannt hin und bringe Deinen Atem bewusst in den Entspannungsmodus.
- Starte damit, Deine Ausatmung zu verlängern.
- Zähle entspannt mit: Atme drei Sekunden ein, dann langsam für vier Sekunden aus.
- Wenn Du Dich wohlfühlst, versuche, die Ausatmung noch weiter zu verlängern – z. B. drei Sekunden einatmen, sechs Sekunden ausatmen.
- Mit jedem Atemzug lässt Du den Stress ein Stückchen mehr los und hilfst Deinem Körper, zur Ruhe zu kommen.
Wer generell unter Stress, Nervosität und Ängsten leidet, kann speziell entwickelte Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung oder autogenes Training nutzen, um wieder mehr zu innerer Ruhe zu finden.
Medikamentöse Ansätze
Nicht immer reichen Entspannungstechniken und Psychotherapie aus, um Vaginismus zu lindern. In hartnäckigen Fällen können zusätzlich Medikamente zum Einsatz kommen, die Deinen Körper vorübergehend von Schmerzen befreien und die Entspannung des Gewebes fördern:
Hormon- oder Schmerzmittel mischen kräftig in Deinem Körper mit und haben manchmal auch unerwünschte Nebenwirkungen im Gepäck. Deswegen lohnt es sich, solche Medikamente nur dann in Betracht zu ziehen, wenn andere Therapieansätze nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.
Digitale Gesundheitsanwendungen: Vaginismus flexibel zuhause behandeln
Moderne Zeiten schaffen moderne Behandlungsmethoden: Vaginismus behandelt man heute auch per App. Die sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) können Dir dabei helfen, Ängste zu überwinden und Deinen Beckenboden zu entspannen – und das ganz bequem von zu Hause aus.
Die Angebote beinhalten kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungsübungen und Begleitung zum Vaginaltraining mit Dilatoren. Alles läuft in Deinem Tempo ab, und Du hast jederzeit die Freiheit, die Übungen Deinem individuellen Fortschritt anzupassen. Mit ärztlicher Verordnung und der passenden Diagnose übernehmen viele Krankenkassen die Kosten.
Vaginismus vorbeugen
Zu Scheidenkrämpfen kommt es aus einem Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Faktoren. So komplex ihre Entstehung, so ganzheitlich muss auch die Therapie und die Vorbeugung erfolgen. Hier ein paar Tipps, mit denen Du Deinem Körper und Deiner Psyche dabei helfen kannst, Scheidenkrämpfen vorzubeugen:
Prognose: Ist Vaginismus heilbar?
Es ist viel Arbeit, aber Vaginismus lässt sich in den meisten Fällen gut behandeln! Bei über 90 % der Betroffenen helfen gezielte Maßnahmen und eine individuell abgestimmte Therapie, die Beschwerden deutlich zu lindern. Je früher Du anfängst, desto besser stehen die Chancen, dass sich Deine Symptome bessern.
Ohne Behandlung kann sich Vaginismus allerdings festsetzen: psychische Belastung, Ängste und manchmal auch depressive Verstimmungen können die Folge sein. Deshalb: Lieber nicht lange warten und das Thema angehen, damit weder Dein Selbstbewusstsein noch Deine Partnerschaft leidet.
Fazit: Das hilft gegen Scheidenkrampf
Wenn die Scheide verkrampft, geht die Stimmung im Schlafzimmer gegen null. Doch mit Vaginismus muss sich niemand einfach abfinden: Mit zielgerichtetem Training, Entspannungstechniken und ärztlicher Betreuung können Du und Dein Körper lernen loszulassen.