Symbiotische Beziehung
Gibt es ein „zu nah“ in Beziehungen?
Mit der Beziehungsperson ganz im Einklang zu sein, klingt ja erstmal gesund – aber bei symbiotischen Beziehungen läuft meist trotzdem ein bisschen was schief. Wenn die Nähe in einer Partner:innenschaft zu extrem wird, leiden darunter die Menschen in ihr und auch das Umfeld. Was macht eine symbiotische Beziehung aus und wie kann man die negativen Beziehungsmuster auflösen? Hier erfährst Du mehr!
Was ist eine symbiotische Beziehung?
Nicht falsch verstehen: Es gibt auch gesunde Symbiosen in Beziehungen, von denen alle Beteiligten profitieren. Spricht man jedoch von einer symbiotischen Beziehung, ist eine toxische Beziehungsform gemeint, in der beide Partner:innen stark voneinander abhängig sind (seltener nur eine Person).
Symbiotische Beziehungen sind geprägt von einem Übermaß an Nähe, Zweisamkeit und Innigkeit – die Partner:innenschaft steht an erster Stelle. Typische Aussagen in einer symbiotischen Beziehung sind etwa: „Du bist meine bessere Hälfte”, „Ohne Dich kann ich nicht leben” oder „Du bist mein Ein und Alles”. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass die Verbundenheit über ein gesundes Maß an emotionaler Intimität hinausgeht. Die eigene Persönlichkeit in den Hintergrund rückt und sich das eigene Leben nur noch um die Beziehung dreht.
Nicht nur in der Liebe, sondern auch in Eltern-Kind-Beziehungen sind solche negativen Symbiosen möglich. Vor allem zwischen Mutter und Kind, aber auch zwischen Vater und Kind kann es solche Abhängigkeiten geben.
# Symbiose
Der Begriff „Symbiose” stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „zusammenleben”. In der Biologie steht Symbiose für artfremdes Zusammenleben mit wechselseitigem Nutzen. In der Psychologie beschreibt sie bestimmte Formen der Abhängigkeit, wie auch bei der symbiotischen Beziehung.
Daran erkennst Du eine symbiotische Beziehung
Das Verhalten in einer symbiotischen Beziehung ähnelt dem Verhalten am Anfang einer Beziehung, kann also nicht immer gleich erkannt werden. Treten die Merkmale aber über eine längere Zeit auf (also über die Verliebtheitsphase hinaus), solltest Du hellhörig werden und die Verhaltensmuster genauer unter die Lupe nehmen.
Übermäßige Nähe
Nähe in einer Partner:innenschaft ist gut und wichtig. Wird die Nähe (körperlich und emotional) aber zu eng, ist Vorsicht geboten. Hängt Ihr ständig zusammen rum und seid gar nicht mehr räumlich voneinander getrennt, ist das ein Anzeichen für eine symbiotische Beziehung.
Verschwimmen der Identitäten
Wenn „Du und Ich” zum „Wir” verschmelzen und die Wir-Form die Beziehung und das Leben dominiert, liegt ebenfalls etwas im Argen. Dabei gehen nämlich die eigenen Wünsche und Bedürfnisse verloren und man lebt nur noch für die symbiotische Beziehung.
Abhängigkeit
Ihr fallt immer weiter in eine emotionale Abhängigkeit voneinander. Alleine fühlt Ihr Euch mehr und mehr verloren und unvollständig, sodass die Beziehung immer noch wichtiger wird. Zu dieser Abhängigkeit gehört auch, die Harmonie in der symbiotischen Beziehung um jeden Preis zu fördern.
Soziales Umfeld
Auch für das soziale Umfeld seid Ihr nur noch als Paar verfügbar. In einer symbiotischen Beziehung nehmen Freundschaften und der Kontakt zur Familie immer weiter ab, weil die Partner:innenschaft Euer Lebensmittelpunkt ist.
Wie entsteht eine symbiotische Beziehung?
Der Grundstein wird oft schon beim Kennenlernen gelegt, wenn eine starke Anziehungskraft zwischen zwei Menschen herrscht. Die Verliebtheitsphase besteht bei vielen Paaren aus sehr viel Nähe und dem Rückzug aus dem sozialen Leben – in einer symbiotischen Beziehung hört diese Phase nicht auf.
Frühkindliche Prägung
Eine symbiotische Beziehung kann ihre Ursache bereits in der Kindheit haben, wenn traumatische Erlebnisse Dich oder Deine:n Partner:in geprägt haben. Ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, Verlustangst oder Angst vor Einsamkeit kommen häufig vor, wenn die Bezugspersonen nicht ausreichend präsent waren.
Persönlichkeitsmerkmale
Ebenfalls aus der Kindheit oder auch durch spätere Entwicklung kann ein geringer Selbstwert stammen. Wenn Du das Gefühl hast, Du wärst nicht genug oder etwas wäre mit Dir nicht in Ordnung, kann diese Unsicherheit schnell dazu führen, in eine emotionale Abhängigkeit zu geraten – der ideale Nährboden für eine symbiotische Beziehung.
Kulturelle Faktoren
Was als symbiotische Beziehung gilt und inwieweit diese Form der Partner:innenschaft als „normal” gilt, hängt von kulturellen Faktoren ab. Von der Partner:innenwahl über die Rollenverteilung hin zur Sexualität werden symbiotische Beziehung unterschiedlich gewertet. Was als harmonisch oder problematisch gilt, ist nicht einheitlich definiert.
Die Gefahren einer symbiotischen Beziehung
Wenn die Partner:innenschaft zur eigenen Identität wird, gehen die persönlichen Werte, Bedürfnisse und Wünsche immer mehr verloren – bis hin zur Selbstaufgabe. Ein ohnehin angeknackstes Selbstbewusstsein wird dadurch weiter geschwächt, die Beziehung ist alles, was bleibt. Das führt wiederum dazu, dass eine große Verlustangst entsteht – denn was wärst Du denn ohne den:die Partner:in? Mit bedingungsloser Liebe hat das jedenfalls nichts zu tun.
Die Folgen sind auf persönlicher und sozialer Ebene groß, wenn die Selbstständigkeit zur Abhängigkeit wird – ein Rückschritt in der Entwicklung. Tust Du nichts gegen diese enorme Abhängigkeit in einer symbiotischen Beziehung, verlierst Du Dich selbst, den Kontakt zu Freund:innen und Familie und vielleicht sogar Existenzgrundlagen.
Unterschied zwischen gesunder Nähe und Symbiose
In einer gesunden Beziehung gibt es ein ausgewogenes Nähe-Distanz-Verhältnis. Ihr funktioniert als Paar und seid Euch sowohl körperlich als auch emotional nah – gleichzeitig gibt es aber auch noch das „Du und Ich”. Ihr bleibt eigenständige Persönlichkeiten, lebt auch außerhalb der Beziehung und führt trotzdem ein harmonisches Miteinander. Nur wenn beide Partner:innen sich selbst treu bleiben, kann daraus eine fruchtbare Beziehung entstehen.
Symbiotische Beziehungsmuster lösen
Damit Ihr beide wieder eigenständig und selbstständig werdet und Euch aus der Abhängigkeit befreien könnt, müssen Verhaltensmuster in der symbiotischen Beziehung gelöst werden. Dafür ist keine Trennung notwendig – allerdings müssen beide Partner:innen bereit sein, an sich und der Beziehung zu arbeiten. Dann kann aus der symbiotischen, toxischen Beziehung eine gesunde werden.
Jede:r für sich: Selbstreflexion
Finde heraus, wer DU bist und was DU gerne tust. Um wieder eine eigenständige Person zu werden, musst Du Dich mit Dir, Deinen Bedürfnissen und Zielen befassen. Nimm Dir Me-Time und kümmere Dich um Dein Wohl. Auch eine eigene Meinung zu entwickeln und für diese einzustehen, ist wichtig. Reflektiere die Gründe für die symbiotische Beziehung, um daran arbeiten zu können.
Miteinander: Kommunikation
Redet offen miteinander, um die Beziehung zu retten. Kümmert sich jede:r um sich, kann auch innerhalb der Beziehung wieder anders agiert werden. Wenn Ihr Euch klar um Eure Bedürfnisse seid, müsst Ihr diese kommunizieren und auch einfordern. Zu einer gesunden Beziehung gehören Konflikte – achtet aber darauf, sachlich zu diskutieren und Euch nicht gegenseitig zu verletzen. Lernt Euch neu kennen, baut Vertrauen auf und vermeidet Kontrollverhalten.
Professionelle Hilfe
Wenn die symbiotischen Beziehungsmuster sehr festgefahren sind, kann es sein, dass Ihr diese nicht ohne fremde Hilfe auflösen könnt. Das kommt vor allem vor, wenn die Prägung aus der Kindheit stammt. Mit einer Paar- und/oder Einzeltherapie seid Ihr in diesem Fall gut beraten und bekommt die notwendige Unterstützung.
Fazit: Symbiotische Beziehungen erkennen und Verhaltensweisen auflösen
Symbiotische Beziehungen sind toxisch und sorgen dafür, dass Ihr Euch nur noch als Paar seht – die jeweilige Persönlichkeit geht dabei unter. Mit den richtigen Kniffen können daraus aber gesunde, glückliche Beziehungen werden. Wer einmal in einer symbiotischen Beziehung steckt, ist dort also nicht für immer gefangen – vorausgesetzt, beide Partner:innen sind bereit, an der Beziehung zu arbeiten.